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14. März 2019

Die Entwicklung Berlins: Fortschritt und Stagnation

Es ist beinahe hundert Jahre her, dass Berlin in den 1920er Jahren schon einmal die Vier-Millionen-Einwohner-Marke überschritten hat. Seit Mitte der 2000er Jahre wächst die Stadt wieder, in den letzten Jahren zieht das Tempo rapide an. Bis 2030 könnten die Bevölkerungszahlen aus den goldenen Zwanzigern wieder erreicht werden. Die negative Folge ist, dass der ohnehin schon angespannte Wohnungsmarkt in der Hauptstadt in Zukunft zu einem noch größeren Problem werden könnte. Nicht umsonst hat die Bundeskanzlerin anlässlich des 2018 eilig einberufen Wohnungsgipfels von „einer der größten sozialen Fragen unserer Zeit“ gesprochen.

Bauland, Entwickler und Genehmigungen

Bei der Schaffung von Wohn- und Gewerbeflächen spielt erstens das Angebot an Bauland eine zentrale Rolle. Zweitens müssen sich Entwickler finden, deren Pläne für diese Flächen – dritte Voraussetzung –genehmigt werden. Lässt man diejenigen Kleingärten, die als Baulandreserve gelten und die Randbereiche des Tempelhofer Feldes einmal außen vor, sind in der aktuellen Situation die möglichen Flächen innerhalb der Stadtgrenzen überschaubar. Für die schleppende Schaffung von Wohnraum ist allerdings vor allem die Stagnation der Zahl der Baugenehmigungen maßgeblich. Die öffentlichen und vor allem die privaten Bautätigkeiten sind gezwungen, weit hinter dem Bedarf der Berliner Bevölkerung zurückzubleiben. 2017 wurden in Berlin zwischen Januar und November 22.409 Wohnungen genehmigt. Für den gleichen Zeitraum 2018 ergab sich ein Rückgang um neun Prozent. Das bedeutet, dass circa 2.000 Wohnungen weniger genehmigt wurden. Der Rückgang wiederholte sich im zweiten Jahr in Folge. Der Genehmigungsrückgang wird von Wohnungsmarktexperten als Warnzeichen für die Situation der heutigen und zukünftigen Berliner Mieter eingestuft.

Wo die Baukräne stehen (sollen)

Für die überfällige Aufwertung des Alexanderplatzes gibt es eine ganze Reihe von geplanten Projekten. Darunter ist ein groß angelegtes Hochhausprojekt, das das französische Immobilienunternehmen Covivio plant. An der Stelle, an der sich momentan noch der Biergarten „Alex Oase“ befindet, soll für circa 450 Millionen Euro ein Zwillingsturm von 130 Metern Höhe entstehen. Im Architekturwettbewerb konnte sich ein Entwurf von Sauerbruch Hutton durchsetzen. Auch in der City West werden Pläne gemacht. Am Kurfürstendamm plant der Karstadt-Eigentümer Signa drei Hochhaustürme mit unterschiedlichen Entwicklungsszenarien und in Mischnutzung. Große Veränderungen ergeben sich ebenso am Berliner Hauptbahnhof. Unter dem Titel Europacity wird auf 60 Hektar ein nachhaltiges Quartier für Arbeiten und Wohnen realisiert. Ebenfalls am Stadtumbau beteiligt sind die landeseigenen Gesellschaften. Auf den Buckower Feldern im Süden Berlins plant die Stadt und Land ein Stadtquartier mit rund 900 Wohneinheiten. In ganz unterschiedlicher Bebauung entstehen dort heterogene Wohnflächen, deren Profil von Stadtvillen bis hin zu Wohnungen mit ermäßigtem Mietzins von 6,50 Euro pro Quadratmeter reicht. Die Berliner Mischung strebt auch das landeseigene Projekt Schumacher Quartier auf dem Gelände des stillzulegenden Flughafens Tegel an. Bis zu 10.000 Berliner sollen hier ein Zuhause finden.

Die Auswirkungen von Ablehnung und Blockade

Doch der Schein der regen Bautätigkeit trügt: Durch die Bank beklagen Bauträger, dass insbesondere in den zentralen Bezirken Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf anscheinend gar kein Neubau gewünscht ist. In der Kritik stehen neben den politischen Entscheidern auch Anwohner, die sich gegen Bauprojekte in ihrem stellen. Als Konsequenz könnten dann die Mieten weiter steigen. Unter dem Eindruck dieser Entwicklung widersprechen viele Beobachter der Vorgehensweise der Berliner Regierung, Bestandsimmobilien anzukaufen, statt Bauvorhaben zu priorisieren. Die Bevölkerungsprognosen sehen einen laufenden Zuzug vor, die sinkende Zahl der Baugenehmigungen hat einen langfristigen Effekt, der für zukünftige soziale Sprengkraft sorgen könnte.